Fotos

Fotos sind nicht nur ein Motiv, oder ein
Ausschnitt daraus, sie gehen auch mit der Technik
einher: Blende, Verschluss, ISO. Und dergleichen.
Ob man die Fotografie mit der Schriftstellerei
gleichsetzen kann, sei dahingestellt, aber auf
jeden Fall werden Bilder geschaffen. Ob sie im
Kopf oder aus einer Sicht entstehen, letztendlich
ist es das Gehirn, das sie verarbeitet – das Auge
ist nicht zwingend notwendig.

Die bislang frühesten entdeckten Höhlenmalereien
sind fast 45 000 Jahre alt, was auf den Beginn
des figürlichen Denkens des Menschen schließen
lässt. Vielleicht kamen die Bilder noch vor der
strukturierten Sprache? Auf jeden Fall vor der
Schrift. Man fing an, etwas außerhalb seiner
Selbst zu projizieren und anderen sichtbar zu
machen was länger als einen Moment dauerte, also
keine mit dem Stock in den Sand gemalte
Zeichnung, die Wind oder Wasser schnell
auslöschten. Mit der Sesshaftigkeit, der
sogenannten Zivilisation, wurde aus der Malerei
ein fester Bestandteil der Kultur. Und weil sich
Kultur verkaufen lässt, etablierte sich ein
eigenes Gewerbe. Statt in den Krieg zu ziehen,
lebend wiederzukehren und Ruhm zu erfahren,
reichte es, talentiert vor einer Klippe zu sitzen
und das Tal zu malen.

Im technischen Zeitalter ging es Schlag auf
Schlag: Zuerst analog, dann digital. Und die
Digitalisierung schreitet voran. Heute reicht ein
Handcomputer, nicht größer als ein Smartphone, um
die Bilder mit Pixeln aufzupumpen und brillante
Schärfe zu erzeugen. Von der bildlichen
Darstellung zum Zweck der Kommunikation, hin zur
Hinterlassenschaft für die nächste Generation in
Form von Gemälden, bis zur technisch entwickelten
Camera obscura, vergingen Jahrtausende.

Was eine Kunst wert ist, liegt im Auge des
Betrachters. Und gerade bei der Fotografie geht
der materielle Wert heute gegen Null. (Kaum
jemand legt seine Negative ins Fixierbad.) Gute
Kameras schießen 6-12 Bilder pro Sekunde, und
versierte Fotografen löschen 6-12 Bilder pro
Sekunde. Was aber die Maschine dem Menschen nicht
abnimmt, ist die Suche nach dem richtigen Motiv.
Kommerziell ist ein Motiv erst richtig, wenn es
andere schön finden. Dazu zählt auch die
Aufhübschung mittels Computerprogrammen. Die
Fotografie ist aber nicht nur ein Erwerbszweig,
sie bleibt ein Teil der Kunst. Nur, wo findet man
Qualitäten, wenn alles in der Masse untergeht?
Auf Instagram und Co zu suchen ist müßig, auch
die prall gefüllten Schuhkartons haben ausgedient
und Dia-Abende sowieso, wo also fündig werden?

Schieben wir die Frage ins nächste Zeitalter,
wenn die alten Spuren verwischt sind und sich die
nächste Renaissance durch die
Menschheitsgeschichte wälzt. Natürlich hängt man
auch am Prinzip des Bewährten, das man nicht
ändern muss, deswegen ist immer jemand da, der
seine Negative ins Fixierbad legt.

 

Hartmuth Malorny, Autor aus Dortmund

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