Die weiße Hexe von Rose Hall

Die Legende um Annie Palmer, die noch
heute als Geist auf
Rose Hall rumspukt,
ist historisch nicht nachweisbar. Es
heißt, unter den
drei Palmen seien
ihre drei Ehemänner
begraben, die sie
allesamt eigenhändig umgebracht hatte,
den ersten vergiftet, den zweiten erstochen und den dritten
erwürgt.

1770 erbaute der Engländer John Palmer das
Anwesen nahe Montego Bay/Jamaika und
bewirtschaftete eine Zuckerrohrplantage. Der
Sklavenhandel florierte, das Geschäft blühte.
Rose Hall machte Palmer reich. Als er starb,
übernahm sein Großneffe John Rose Palmer den
Betrieb und vergrößerter ihn auf 2600 Hektar. Nun
schufteten hier 2000 versklavte Afrikaner. Es kam
immer wieder zu kleineren Aufständen, angezettelt
von den Spaniern, die ihren Einfluss in der
Karibik ausbauen wollten. Folglich wurden die
Sanktionen verschärft und die Plantagenbesitzer
erhöhten das Maß der Brutalität. Das dreistöckige
Herrenhaus Rose Hall war Inbegriff für Reichtum,
Macht und Sicherheit, wer hier herrschte,
entschied über Leben, Arbeit oder Tod.

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Jasonbook 99

John Rose Palmer war ein religiöser Fanatiker,
Geizkragen und äußerst konservativ. Er handelte
nach dem von Gott gegebenen Recht – sein
Verwalter setzte es um. Abends studierte er die
Rechnungsbücher, und wenn die Zahlen stimmten,
dachte er darüber nach zu heiraten.

1819 lernte er eine Engländerin namens Annie Mae
Patterson kennen, sie kam aus Haiti, wo sie seit
dem Tod ihrer Eltern aufgewachsen war. Annie
verdrehte ihm kurzerhand den Kopf, sie bediente
sich der jugendlichen Schönheit und spielte
Tugend und Fleiß vor. Man heiratete. Es dauerte
keine zwei Monate, und Annie hatte den Verwalter
entlassen und die Kasse übernommen. John Rose
fing an zu trinken, obwohl sie jeden auspeitschen
ließ, der sie schräg anguckte. Andrerseits
bereicherte es ihr Liebesleben, wer besonders
brav, jung und hübsch war, durfte sie besteigen.
Als John dahinter kam, musste sie handeln. Das
Zimmer, in dem er starb, wurde verschlossen. Nach
einer kurzen Trauerzeit heiratete sie erneut.
Aber auch Ehemann Nummer zwei bemängelte ihren
Lebenswandel. Eines Tages fand man ihn mit einem
Messer zwischen den Rippen. Schnell musste ein
Sklave herhalten, der ihn scheinbar aus Rache
erstochen hatte.

Der Roman „The White Witch
of Rose Hall“, den Herbert
G. De Lisser 1929
veröffentlichte, trägt zur
Legende der Annie Palmer
bei; das 1977 renovierte
Gebäude lockt heute Besucher
an – abermals ein
florierendes Unternehmen:
Rose Hall Developments LTD.
Neben dem Museum informieren
Tour-Guides über die
wechselvolle Geschichte,
zwei Touren täglich, aber nichts für schwache
Nerven und Kinder unter 10 Jahren.

Auch Johnny Cash, der seine Urlaube gerne auf
Jamaika verbracht hatte, ließ sich zum Song
„Ballad of Annie Palmer“ inspirieren, der 1973
veröffentlicht, aber wegen seiner
antichristlichen
Anschauung nie live gesungen
wurde. Die Trommeln im Hintergrund spiegeln das
Leid der Sklaven, während Cash vom Mysterium
dieser weißen, mordenden Hexe erzählt, wie sie
nachts über die Plantage ritt und Angst und
Schrecken verbreitete, und spekuliert, wo die
Ehemänner begraben liegen.

Annie Palmer residierte 11 Jahre auf Rose Hall.
Sie füllte die Zeit zwischen dem zweiten und
dritten Mann mit Vodoo und Hexerei, das fand sie
faszinierend und verschaffte ihr das Gefühl der
uneingeschränkte Macht. Sobald ein Lustsklave
uninteressant wurde, bzw. gefährlich, ließ sie
ihn erdolchen. Wie der dritten Ehemann hieß, ist
nicht überliefert, aber er war deutlich jünger,
gut aussehend und mittellos. Nach britischem
Recht fiel das Vermögen der Angeheirateten
automatisch in den Besitz des Ehegatten, außerdem
frequentierte er gerne die Spielhöllen in Montego
Bay. Man munkelt, sie habe ihn im Schlaf erwürgt,
was anhand seiner physischen Überlegenheit
unwahrscheinlich ist, jedenfalls lag er morgens
tot im Bett. Ein weiteres Zimmer, das für immer
verschlossen blieb. Doch sie konnte dem Schicksal
nicht entkommen, ausgerechnet das eigene
Schlafzimmer wurde der Ort für ihren Mord. Nach
Annies Tod verfiel Rose Hall, 1845 änderten sich
die Zeiten.