Jürgen Ploog

Bekanntermaßen ist der Schriftsteller im Alter
von 85 Jahren verstorben, und dies ist kein
Nachruf. Obwohl ein Ruf nachhallt. Wer genau
wissen möchte, wer dieser Jürgen Ploog war, was
er tat, vertrat und schrieb, möge eine
Internetsuchmaschine befragen, die ist
ergiebiger. Oder:

Ich traf ihn Anfang der 1990er Jahre bei einem
der längst vergessenen Social-Beat-Festivals in
Berlin, vielleicht war es auch im August 1993,
ich weiß es nicht mehr, und während einige von
uns die recht freie und vulgäre Sprache des
Charles Bukowski bevorzugten, kam Ploog mit der
Cut-up-Methode eines Burroughs daher – den er
während seiner Lufthansa-Piloten-Zeit besucht und
sich mit ihm befreundete hatte. Wer Gasolin 23
googelt, stößt unweigerlich auf Carl Weissner,
Jörg Fauser und Ploog, die man ruhig zu den Vätern des Deutschen Beats zählen kann.

Wie bei Festivals üblich, wurden die
prägnantesten Künstler auch in größeren Lettern
auf die Plakate gedruckt, oberhalb der ansonsten
nur regional oder lokal bekannten Namen, über dem
künstlerischen Fußvolk also. Doch Ploog war nicht
alleine dort oben, er bildete mit Hadayatullah
Hübsch und Daniel Dubbe das literarische
Triumvirat: Drei (weiße) Männer im gehobenen
Alter, den Kleidungsstil dem Ruf angepasst, ob
Hut, Stock, Schirm oder Mantel, die eine Aura
gleich auf zwei Ebenen vor sich her trugen:
Erstens den U.S. amerikanischen Dunstkreis der
Beat-Generation, zweitens eine
schriftstellerische Diktion, für die sich sogar
das überregionale Feuilleton interessierte.

Jürgen Ploog bestand auf das Recht, die Grenzen
seiner Kunst selbst zu bestimmen. Doch der
kommerzielle Erfolg blieb aus, und ich glaube
nicht, dass er beim monatlichen Geldzählen je
eine Million übersehen hat. 1993 beschloss er,
vom Schreiben leben zu können, er ging in Rente,
darum hatte er auch die Möglichkeiten, Lesungen
und Literaturfestivals zu infiltrieren. Dandyhaft
und mit einer anmutenden Gravitation schritt er
durch die Menge der Zuhörer, nahm auf der Bühne
Platz und las mit ruhig-tiefer Stimme recht
langsam. Manchmal überholte ihn der Text, doch er
war nun der Mittelpunkt. Ich verstand ihn am
besten nach 2-3 Joints. Keine Ahnung, wie es an
diesem Abend weiterging, alles war turbulent,
entspannt, hitzig und kühl, jedenfalls
alkoholisch gut aufgestellt. Tötet den Affen,
lautete das Motto. Folglich kann ich höchstens
assoziieren, wie Jürgen Ploog am nächsten Tag dem
SWR ein kryptisches Interview gab, im Anzug, mit
Halstuch und Hut. Vielleicht hatte er eine
Sonnenbrille auf.

Ende.