Johnny Cash und das RPO

legacy records

John Carter Cash war ungefähr 10 Jahre alt, als
er mit seinem Vater ein Filmfestival in New York
besuchte, um sich ein paar James-Bond-Filme
anzuschauen. Beim Intro zu „Goldfinger“ sagte der
Vater zu seinem Sohn: „
That’s the finest
orchestra in the world, that’s the Royal
Philharmonic.“

Beginnend mit den Tennessee Two, bis zu den Great
Eighties-Eight, und schlussendlich nur noch
Stimme und Gitarre, durchlief Johnny Cash das
Genre der Musik in all seinen Bandbreiten. Immer
wieder suchte er den Schulterschluss zur
Philharmonie, wiewohl er die Wirkung seiner
Stimme auf das Ensemble der Instrumente kannte,
so zum Beispiel beim Boston Pops Orchestra. Schon
die Bühne der Grand Ole Opry, sein Wirkungskreis
für Jahrzehnte, war von einem Orchestergraben
umgeben, in dem die Musiker musizierten und den
TV-Kameras nicht im Wege standen. Auf der
Unearthed-Box wurde der Song „Bird On A Wire“ von
Bläsern und Streichern begleitet und eingespielt.
1979 spannte Cash einen Kirchenchor ein, den
Goodpasture Christian School Choir, um die
Gospelsongs des gleichnamigen Albums mit dem
nötigen Rahmen zu versehen.

Das Royal Philharmonic Orchestra wurde 1946
gegründet, ist heute in der Londoner Cadogan Hall
beheimatet und genießt einen exzellenten Ruf.
Nicht weit davon entfernt liegen die Abbey Road
Studios. Also gibt es eine neue Platte von Johnny
Cash.
Die Produzenten Nick Patrick und Don Reedman,
unter der Schirmherrschaft von John Carter Cash,
setzten sich mit dem Royal Philharmonic Orchestra
zusammen und wählten 12 Lieder aus, über die sich
der Vater freuen würde, wäre er noch am leben.
Jedes Lied, das den Auswahlkriterien genügte, hat
ihre Geschichte, einige werden von John Carter
Cash erzählt.
Als Jimmy Webb den „Highwayman“ geschrieben
hatte, ging er zu Waylon Jennings, der aber am
Potenzial zweifelte. Erst nachdem sich Cash, Kris
Kristofferson und Willie Nelson dazu gesellten
und eine Band gründeten, wurde der Song ein Hit.
Webb dachte damals, wie es sich wohl anhören
würde, wenn die Vier noch ein Orchester im Rücken
hätten?
Duane Eddy`s Gitarrensound, der bei „Farther
Along“ zu hören ist, würdigt diesen
Ausnahmemusiker, dessen Wunsch, mal in der Band
von Cash zu spielen, nie erfüllt wurde. Eddy und
Luther Perkins wohnten im selben Viertel, sie
kannten sich. Als Perkins im Jahre 1968 starb,
erinnert sich Duane Eddy, „wollte ich Johnny
anrufen und nach einem Job fragen, doch ich
entschied mich es nicht zu tun, ich fand es zu
anmaßend.“

„Galway Bay“ ist eine Hommage an Großbritannien,
Schottland und Irland. Cashs Wurzeln lassen sich
bis ins 12. Jahrhundert verfolgen, bis zu König
Malcom dem Vierten, Herrscher über Schottland,
weshalb Cash eine gewisse Liebe zu diesen Ländern
pflegte und ausgiebig betourte, wie
beispielsweise 1963 in Irland: 12 Shows in 10
Tagen.
„I Walk The Line“ und „Flesh And Blood“ sind zwei
alternative Aufnahmen aus dem Soundtrack des
Films „I Walk The Line“, 1970, mit Gregory Peck
und Tuesday Weld.
„The Loving Gift“, dereinst von Kristofferson
geschrieben, lässt auch June Carter erklingen,
und Bob Dylan ist mit „Girl From The North
Country“ dabei.

Auf der neuen Platte von Johnny Cash, sie ist
tatsächlich als Vinyl erhältlich, sind eben die
Hits, „Ring Of Fire“, „Man In Black“, etc., sie
wurden nicht ausgegraben, aber neu arrangiert.
Trotz der technischen Raffinesse des Overdub
klingt das Arrangement so, als sei es ein
leibhaftiges Studioerlebnis mit epischem Ausmaß –
Violine, Flöte, Klarinette, Cello, Drums -, so
schmelzen Vivaldis Vier Jahreszeiten zu einer
einzigen zusammen. Wer sich zwischen Klassik und
Country nicht entscheiden kann, findet hier die
Symbiose. „Ein bisschen fürs Geld, ein bisschen
für mich selbst“, hätte Johnny Cash gesagt.
Vermutlich. Und für uns bleibt auch was.

Das RPO, in Zusammenarbeit mit Legacy Records,
würdigte auch andere Künstler posthum mit ihrem
orchestralen Sound: Elvis Presley ab 2015, Roy
Orbison 2017. Dieses Jahr ist Johnny Cash dran.

1. Man In Black
2. Galway Bay
3. Girl From The North Country (Bob Dylan with
Johnny Cash)
4. I Came To Believe
5. A Thing Called Love
6. The Loving Gift (with June Carter Cash)
7. I Walk The Line
8. Farther Along (featuring Duane Eddy)
9. Flesh and Blood
10. The Gambler
11. Ring Of Fire
12. Highwayman (The Highwaymen: Willie Nelson,
Waylon Jennings, Kris Kristofferson, Johnny Cash)

Produced by Nick Patrick and Don Reedman
Orchestra performed by The Royal Philharmonic
Orchestra
Conducted by Steve Sidwell
The Royal Philharmonic Orchestra recorded by
Hayden Bendall at Abbey Road Studio 2
Erscheint am 13. November 2020